Veranstaltungsbericht

F5-Netzwerkabend

Eine digitalpolitische Zwischenbilanz ziehen – darum ging es beim Netzwerktreffen des Bündnis F5 in der Forum Factory Berlin.

Franziska Kelch



Die Bündnispartner hatten Politikschaffende und digitalpolitisch Engagierte eingeladen, um gemeinsam zu diskutieren. Was müsste sich ändern in der Digitalpolitik der Ampel? Herausgekommen sind Vorschläge für bessere Beteiligung der Zivilgesellschaft.

Einig waren sich Henriette Litta, Geschäftsführerin der Open Knowledge Foundation, die Journalistin Kristin Becker vom ARD Hauptstadtstudio und Moderator Matthias Spielkamp, Geschäftsführer von Algorithm Watch in der Wahrnehmung: Die Ampel-Regierung hat sich im Koalitionsvertrag vielversprechende Ziele gesetzt. Aber was ist aus denen geworden?

Foto des Podiums
Foto des Podiums, CC BY-SA 4.0 Mersiha Kalajdzija, via Wikimedia Commons

Digitalisierung ist mehr als Nullen und Einsen

„Die Bereitschaft, sich auf das Thema Digitalisierung einzulassen, ist bei der Ampel größer als bei Vorgängerregierungen,“ beschreibt Kristin Becker ihren Eindruck aus der Sicht einer Journalistin für Digitalthemen. Auch Henriette Litta hat zu Beginn der Legislatur optimistisch auf die digitalpolitischen Pläne der Bundesregierung geblickt. „In den Strategiepapieren stehen kluge Sachen drin, auch gesellschaftliche Visionen. Sei es ein Beitrag zur Mobilitätswende oder mehr Inklusion und mehr sozialer Ausgleich.“ Aber in der Umsetzung hapert es. Matthias Spielkamp verweist auf den Koalitionstracker, der zeige, dass bisher kein einziges großes digitalpolitisches Vorhaben realisiert worden sei. Litta bemängelt, dass in der politischen Umsetzung die Struktur fehle. Es gäbe zwar eine „unglaubliche Betriebsamkeit“ im Bereich Digitales und ständig starten neue Projekte oder Förderrunden. Aber Digitalisierung sei kein Thema, „das man gut verteilen kann“. Derzeit bleibe es bei „Maßnahmen, die nicht ineinander greifen“ und „rein technischen Ansätzen“, analysiert die Politikwissenschaftlerin. “Natürlich ist es ein Teil der Geschichte, dass man technische Lösungen braucht. Aber man muss sich auch verständigen, was man mit denen gesellschaftlich erreichen will. Digitalisierung ist mehr als Nullen und Einsen.” Dr. Kristin Becker, Korrespondentin beim ARD-Hauptstadtstudio

Stiefkinder der Digitalpolitik: Transparenz und Beteiligung

Wenn auf der Bühne zwei Akteur*innen aus der digitalen Zivilgesellschaft und eine Journalistin diskutieren und im Publikum Politikschaffende und Vertreter*innen der digitalen Zivilgesellschaft sitzen, ist es naheliegend, dass eine Frage prominent diskutiert wird: Wie ist es um die Einbindung zivilgesellschaftlicher Expertise in digitalpolitische Vorhaben bestellt? Da gibt es durchaus positive Entwicklungen. „Wir als Zivilgesellschaft werden viel mehr gefragt und es werden wirklich Ideen ausgetauscht,“ beschreibt Henriette Litta ihre Erfahrungen. „Aber da endet es dann oft“, ergänzt sie kritisch. Sie fragt sich schon: „Wo werden die Entscheidungen wirklich diskutiert?“ Helene Hahn von Reporter ohne Grenzen ergänzt aus dem Publikum, dass sie und Kolleg*innen aus anderen Vereinen den Gesetzgebungsprozess als „Sorgenkind“ sähen. Zu oft müsse man über Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz die Herausgabe von Informationen regelrecht erzwingen. Oder man komme an „Referentenentwürfe nur, wenn sie geleakt werden“. Beim BND-Gesetz wurden sie zwar zur Beteiligung eingeladen – aber mit einer 24-Stunden Frist. Kristin Becker ergänzt: „Wir haben am Ende des Tages eine ähnliche Gemengelage. „Auch bei uns landen die Gesetzentwürfe nicht automatisch im Postfach.“

Und wie kann es anders gehen?

Das fragt Tabea Rößner (Grüne), Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag, aus dem Publikum. Sie tausche sich regelmäßig mit Vertreter*innen der Zivilgesellschaft aus, berichtet sie. Angesichts der Kritik frage sie sich, was sich konkret ändern sollte. Ein elektronisches Gesetzgebungsverfahren sei notwendig, meint Henriette Litta. Sie kritisiert, dass es bisher nur die elektronische Verkündung gäbe. Stattdessen brauche es ein klar definiertes Verfahren, in dem Entwürfe und der Status im Prozess transparent dargestellt werden.

Außerdem seien die Verhältnisse total ungleich, kritisiert Litta. Vertreter*innen der Zivilgesellschaft hätten weder die Zeit noch die finanziellen Ressourcen, die Wirtschaftsverbände investieren können, um sich tagaus tagein der politischen Interessenvertretung zu widmen. Vielleicht sei ein Fonds sinnvoll, wirft Kristin Becker ein. In den alle Ministerien einzahlen und aus dessen Mitteln dann zivilgesellschaftliche Zeit und Expertise kompensiert werden könnte. Matthias Spielkamp ergänzt eine Reihe von Problemen, die aus seiner Sicht mit einer „Beteiligungscheckliste für die Exekutive“ zu beheben sein könnten. Bevor man den Gesetzgebungsprozess beginne, müsse man die „abhaken“. Dazu gehöre etwa, dass Einladungen rechtzeitig versendet werden – nicht erst ein bis zwei Wochen vor dem geplanten Termin oder noch später. Schließlich müsse man sich inhaltlich vorbereiten und habe auch noch andere Termine im Kalender.

Apropos Vorbereitung: Es brauche eine klare Agenda für Beteiligungsrunden, aus der Themen und Teilnehmende hervorgehen. Henriette Litta ergänzt, dass immer mehr zivilgesellschaftliche Organisationen auch eigene Gesetzesentwürfe schreiben. So habe man „etwas Konkretes, worüber man sprechen kann“. Das sei aber ein großer Aufwand, der selten zu stemmen sei. „Vielleicht schreiben wir zuerst einmal ein Zivilgesellschaftseinbindungsumsetzungsgesetz,“ schlägt Matthias Spielkamp abschließend vor – mit mindestens einem Augenzwinkern.

Foto des Publikums
Foto des Publikums, CC BY-SA 4.0 Mersiha Kalajdzija, via Wikimedia Commons
Foto von Gästen
Foto von Gästen, CC BY-SA 4.0 Mersiha Kalajdzija, via Wikimedia Commons

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